Veranstaltung von Rechten in Leipzig

Am 5. Juli 2024 soll um 19 Uhr im Hotel Gwuni Mopera (Sternwartenstraße 4) in Leipzig eine Lesung des „Tumult“ aus Dresden mit Michael Klonovsky stattfinden.

Die Moderation übernimmt der „Tumult“-Herausgeber Frank Böckelmann.

Wer ist Michael Klonovsky? – „Aus Moosdorfs Welt“ (https://idas.noblogs.org/?p=4829)

Die Kaltstellung

Doch diese Konstellation erwies sich als nicht sonderlich stabil, sie zerbrach bereits nach wenigen Wochen. Im Februar 2017 kühlte das Verhältnis plötzlich ab, schon im März endete Moosdorfs Arbeit für die Landtagsfraktion. Quasi über Nacht wurden Textbeiträge gelöscht, die er für den „Blauen Kanal“ geschrieben hatte, eine Onlineplattform, in deren Impressum Petrys Name stand. In Briefen an Parteigremien beschwerte er sich über eine plötzliche „Kaltstellung“, seinen Einsatz danke man ihm nicht. Petry stellte er dabei als beratungsresistent, ihren Ehemann Pretzell als einen ziemlich schlechten Einfluss dar.

Es gibt unterschiedliche Erzählungen, wie es dazu kam, dass die Stimmung kippte. Im Hintergrund stand wohl Streit um Geld:

Als Moosdorf zur Landtagsfraktion stieß, war dort bereits Michael Klonovsky tätig, ein Ex-Journalist, der zuvor beim Focus gearbeitet hatte, eine sogenannte Edelfeder. Moosdorf und Klonovsky wurden enge Freunde, das sind sie heute noch und spielen sich manche Bälle zu. In Moosdorfs Nachbarwahlkreis, in Chemnitz, ist neulich der gleichfalls ortsfremde Klonovsky der genauso überraschende Direktkandidat zur Bundestagswahl geworden.

Beide gründeten, als sie Anfang 2017 zeitweise parallel für die Dresdner Fraktion arbeiteten, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, eine GbR, so etwas wie eine kleine Beraterfirma. Über diese GbR stellten Moosdorf und Klonovsky dann Rechnungen für die Erstellung mehrerer Parteibroschüren, gedacht für den Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen. Dort war Pretzell der Spitzenkandidat – doch er bestritt, diese Broschüren in Auftrag gegeben zu haben, und wollte nicht zahlen.

Auch in der Bundesgeschäftsstelle der AfD ging eine Rechnung der GbR ein, sie hatte zu tun mit Moosdorfs früherem Versuch, Petry einen Russland-Kontakt zu vermitteln. Er und Klonovsky forderten insgesamt eine erkleckliche fünfstellige Summe ein. Und beide sollen zusätzlich Druck aufgebaut und gedroht haben, Medien über Parteiinterna zu informieren.

Politik als Geschäft

Petry äußerte sich dazu nicht mehr, Pretzell sprach von einem Erpressungsversuch, die gemeinsame Arbeitsgrundlage war jedenfalls zerstört. Doch ans Aufgeben dachte Moosdorf nicht. Die Details des Streits, die zu dieser Zeit tatsächlich publik wurden, spielten den Flügel-Kräften in der AfD in die Hände, die bereits an der Demontage der Parteichefin arbeiteten. Moosdorf verschärfte den Ton: Im April 2017 warf er Petry vor, die AfD spalten zu wollen, und nannte ihr politisches Agieren „erschreckend dumm“. Womöglich waren solche Töne hilfreich dabei, die enge und einträgliche Verbindung zur Partei nicht abreißen zu lassen.

Moosdorf schmiedete nämlich Pläne. Im Sommer 2017 gründete er eine Firma, die Pierrot Lunaire GmbH, Stammkapital: 25.000 Euro. Benannt ist das Unternehmen, das bis heute existiert, nach einem Melodram von Arnold Schönberg, einem der Lieblingskomponisten Moosdorfs. Der Geschäftszweck des Unternehmens ist aber völlig unmusikalisch, im Handelsregister aufgezählt werden unter anderem „die Erstellung von parlamentarischen Anfragen und Gesetzesinitiativen, der Entwurf und die Betreuung von Petitionen und Begleitung von parlamentarischen Verfahren sowie Imageberatung für bestehende und potentielle Mandatsträger.“ Es ist eine Consulting-Firma im Mikrokosmos der AfD, ein Bereich, in dem sich Politik und Geschäft überschneiden.

Nach der Wahl zum Bundestag im Herbst 2017 fand Moosdorf dort eine Anstellung, bei dem Abgeordneten Martin Hebner, der AfD-Spitzenkandidat in Bayern war. Auf der später entstandenen Website von Moosdorfs Firma werden einige Beteiligte aufgezählt, die man wohl zu seinem engsten Umfeld zählen darf. Darunter ist unter anderem Michael Klonovsky, der nach Wahl ein Mitarbeiter des Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland wurde, bald als dessen Redenschreiber gehandelt wurde und sich inzwischen auch selbst so betitelt.

Mit in Moosdorfs Boot sitzt auch Albrecht Glaser, neben seiner Tätigkeit als Abgeordneter ist er Vorsitzender der mächtigen Bundesprogrammkommission der Partei. Nicht auf der Website aufgezählt wird Moosdorfs Partnerin, Olga Gollej. Doch auch sie hat den Sprung in den Bundestag geschafft, die Fraktion stellte sie als Referentin für Kultur- und Medienpolitik ein.

Keine zimperlichen Methoden

Im Bundestag lief es lange gut für Moosdorf, was auch daran liegt, dass er sich geschickt vermarktet – etwa als den Entdecker des UN-Migrationspakts als ein Thema für die AfD, als Erfinder einer groß angelegten Kampagne. Damit wollten 2018 Partei und Fraktion an die Anti-Asyl-Proteste anschließen, auf deren Rücken man ins Parlament geschwemmt wurde. Zeitweise jedenfalls fruchteten die Versuche, den Migrationspakt in die öffentliche Debatte zu drücken, mit Hilfe der Fiktion, die Vereinten Nationen würden eine „Völkerwanderung“ nach Deutschland organisieren. Ob dieses Framing allein und zuvorderst Moosdorfs Werk war, woran er gern erinnert, dazu kursieren unterschiedliche Ansichten in der AfD.

Die Fäden der Kampagne liefen tatsächlich im Bundestagsbüro des Abgeordneten Hebner zusammen, in dem Moosdorf saß. Zeitweise holte man sich Verstärkung hinzu, der sächsische AfD-Landtagsabgeordnete Carsten Hütter wurde angeheuert, und zwar parallel zu seinem gut dotierten Mandat im Freistaat. Unrühmlicher Höhepunkt des Treibens war eine Petition, die aus Hebners Büro kam und im zuständigen Bundestagsausschuss behandelt werden sollte. Eingereicht hatte den Text Matthias Moosdorf, eingebaut waren einige Formulierungen, die den Leitlinien für Bundestags-Petitionen nicht entsprechen. Auf die Bitte des Petitionsausschusses, den Text zu überarbeiten, ging Moosdorf nicht ein, obwohl ihm sogar Hilfe angeboten wurde.

Stattdessen lancierte Moosdorf ein Schreiben des Ausschusssekretariats an die Öffentlichkeit – um fälschlich den Eindruck zu erwecken, der Bundestag würde sich weigern, das Thema zu behandeln, als würde ein wichtiges Anliegen „zensiert“. Auf einem zugehörigen Dokument, das Moosdorf selbst ins Netz stellte, schwärzte er seine eigene Anschrift. Doch gut lesbar waren der Name und die Kontaktdaten einer Ausschussmitarbeiterin. Es folgte eine offenbar kalkulierte Empörungswelle, das Parlament wurde mit Beschwerdemails geflutet. Der Versuch, eine einzelne Mitarbeiterin an den Pranger zu stellen, verfehlte ihre Wirkung nicht – sie wechselte den Job.

Dubioses Stiftungs-Projekt

Moosdorfs Methoden, sie sind wenig zimperlich. Ein Zeugnis recht gewieften Wirkens, diesmal hinter den Kulissen, ist die Oswald-Spengler-Stiftung, ein AfD-nahes Projekt, das noch immer existiert. Die Spengler-Stiftung trat nur ein einziges Mal groß in Erscheinung, Ende 2019 bei einer Veranstaltung im Festsaal des Dresdner Pianosalons, im herrschaftlichen Ambiente des traditionsreichen Coselpalais unweit der Frauenkirche. Dort gab es ein hochkarätig besetztes Podium mit AfD-Abgeordneten, unter anderem mit Albrecht Glaser. Moosdorf moderierte den illustren Abend, das Begleitprogramm besorgte er selbst und spielte Chopin auf seinem Cello, am Klavier begleitet durch Olga Gollej.

Rund 150 Gäste applaudierten dafür, darunter in der ersten Reihe Tino Chrupalla, wenige Tage vor seiner Wahl zum Bundesvorsitzenden der Partei. Von der Oswald-Spengler-Stiftung finden sich ansonsten nicht viele Spuren, was offenbar Absicht ist. Auf ihrer Facebook-Seite wird behauptet, dass man eine rechtsfähige Stiftung sei, was nicht stimmt. Es handelt sich um einen eingetragenen Verein, der Vorsitzende ist derzeit der Dresdner Immobilien- und Edelmetallhändler Hannes Kernert. Als die AfD in ihrer Frühzeit einen schwunghaften Goldhandel betrieb, um Grauzonen der Parteienfinanzierung auszureizen, fiel oft sein Name. Kernert ist mit Moosdorf befreundet – und der Musiker der Vizevorsitzende der vorgeblichen Stiftung.

Entstanden ist der Verein 2011 im thüringischen Jena, damals unter dem Namen Gustav-Stresemann-Stiftung. Sie war ein bald gescheiterter Versuch, einmal die Parteistiftung der rechtspopulistischen Formation „Die Freiheit“ zu werden. Das ist lange her, „Die Freiheit“ hat ihre Aktivitäten zu Gunsten der AfD eingestellt. Als dann aber die AfD 2017 erstmals in den Bundestag einzog, wurden die Pläne konkret, eine AfD-nahe Stiftung zu schaffen, um in den Genuss staatlicher Fördermittel zu kommen. Gleich mehrere Vereine brachten sich im Herbst 2017 in Stellung, um diese Parteistiftung zu werden.

Der gekaufte Verein

Das Rennen machte einige Monate später die Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES). Doch die litt zunächst unter Anlaufproblemen, wurde erst nach mehreren Gründungstreffen überhaupt ins Vereinsregister aufgenommen und hatte große Mühe, als gemeinnützig anerkannt zu werden. In dieser misslichen Situation fand Ende November 2017 erstmals nach mehreren Jahren wieder eine Mitgliederversammlung der Gustav-Stresemann-Stiftung statt. Ort war eine Jenaer Anwaltskanzlei, in der man den Verein ursprünglich aus der Taufe gehoben hatte. Mit der AfD hatte er bis dahin nichts zu tun.

Zum Vereinstreffen erschien aber eine AfD-Delegation. Hannes Kernert war dabei und unter anderem auch Jan-Oliver Zwerg. Er war zu diesem Zeitpunkt Präsident des sächsischen AfD-Landessenats, einer Art erweitertem Vorstand, bevor er im Februar 2018 zum Generalsekretär gewählt wurde und nochmals anderthalb Jahre später in den Landtag einzog. Am Ende des Treffens in Jena traten alle bisherigen Vereinsmitglieder aus und einige neue Leute dafür ein. Diese neuen Mitglieder kamen allesamt von der AfD. Sie hatten damit klammheimlich einen Verein übernommen, angeblich floss dafür sogar Geld. Und die neuen Mitglieder traten mit diesem Verein sofort in offene Konkurrenz zur DES.

Die Gustav-Stresemann-Stiftung bot einen entscheidenden Vorteil, sie war schon seit langem als gemeinnützig anerkannt. Beinahe wäre es sogar gelungen, die Desiderius-Erasmus-Stiftung auszustechen. Denn während die DES bei Null starten musste, konnten die Stresemänner auf eine längere Vereinsgeschichte verweisen, auch wenn es in Wirklichkeit nicht die eigene war. Sie bauten die bisherige Website um, schnitten sie passgenau auf AfD-Themen zu, vermerkten dort ein „Hauptstadtbüro“ in bester Lage. Und sie gewannen Alexander Gauland als wichtigen Fürsprecher. Auch einige Bundestagsabgeordnete wurden als Mitglieder rekrutiert, etwa Martin Hebner, Moosdorfs Chef.

Totengräber der Demokratie

Dass die Gustav-Stresemann-Stiftung dann doch nicht zum Zuge kam, lag zum einen an einem drohenden Rechtsstreit: Die Erben Stresemanns, der 1923 Reichskanzler geworden war, distanzierten sich von der AfD und drohten mit einer Klage, sollte die Parteistiftung diesen Namen tragen. Und: In der Partei fiel bald auf, dass die Gustav-Stresemann-Stiftung ein Potemkin’sches Dorf ist. Die Berliner Adresse war ein Briefkasten, Texte auf der Vereinswebsite waren Recycling-Material. Dort eingestellt wurde unter anderem – mit leicht verändertem Layout – eine jener Broschüren, die Moosdorf verfasst und für die er Geld von Pretzell gefordert hatte.

Das alternative Stiftungsprojekt scheiterte endgültig nach rund einem halben Jahr, im Sommer 2018. Nach stundenlanger Diskussion entschieden sich damals fast zwei Drittel der Delegierten eines AfD-Bundesparteitags dafür, die Desiderius-Erasmus-Stiftung anzuerkennen und nicht die Konkurrenz-Gruppe. Ein gutes Jahr später musste sie nach einem Gerichtsurteil umbenannt werden, seitdem ist sie die Oswald-Spengler-Stiftung, ansonsten aber derselbe Verein. Die neue Namenswahl war allerdings von brutaler Ironie: Spengler, dessen bekanntestes Werk in Moosdorfs Bücherregal steht, war ein Gegner Stresemanns und beteiligt an einem Plan, dessen Kabinett durch einen Putsch rechter Kräfte und des Militärs zu beseitigen. Der Republikfeind Spengler war einer der frühen Totengräber der ersten deutschen Demokratie.

Welchen Zweck die Oswald-Spengler-Stiftung noch hat, was etwa Matthias Moosdorf sich von ihr verspricht, ist nicht ganz klar. Es gibt heute bundesweit einen Flickenteppich an AfD-nahen Vereinen, an designierten und gescheiterten Stiftungsprojekten in den Ländern, manche schlummern seit Jahren vor sich hin, ohne dass man sie nutzen und ohne dass man sie auflösen mag. Theoretisch können dort Spenden ankommen, die nicht in den Büchern der Partei auftauchen. Und theoretisch könnte auch, wenn sich bestimmte Konflikte in der AfD zuspitzen sollte, ein bereits bestehender Verein in eine neue Partei umgewandelt werden, das deutsche Parteienrecht bietet diese Möglichkeit. Anscheinend verwaiste Projekte könnten irgendwann in der Zukunft nützlich werden.

Anlauf für Olga Gollej

Als Moosdorf im Herbst 2019 offiziell Vizevorsitzender der Oswald-Spengler-Stiftung wurde, war er auf dem Höhepunkt seines Ansehens in der Partei angelangt. Zum Abschluss des sächsischen Landtagswahlkampfs lud er damals zu sich ein, auf sein neues, großes, gut gepflegtes Grundstück im nordsächsischen Örtchen Collm. In ländlichem und vor allem diskretem Ambiente empfing er hohe Parteifreund*innen, eingeladen war auch der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen. Inzwischen haben Moosdorf und Gollej dort ihren Hauptwohnsitz genommen, zusätzlich zu der teuren Adresse in Leipzig. Das Paar lebt nicht auf kleinerem Fuß, seitdem man die Musik hinter sich gelassen hat.

Damals soll Olga Gollej selbst erwogen haben, bei der Landtagswahl in Sachsen zu kandidieren. Ein Bewerbungsschreiben war schon fertig, als Ziel ihrer künftigen Parlamentsarbeit vermerkte sie unter anderem die „Abschaffung der Gender-Studies“, also eines Fachs, das an keiner einzigen sächsischen Hochschule gelehrt wird. Im vergangenen Jahr warf sie ihren Hut erneut in den Ring. Diesmal suchte die AfD nach einer geeigneten Kandidat*in zur Landratswahl im Kreis Meißen. Nach einer Serie von Misserfolgen bei Kommunalwahlen rechnete man sich gute Chancen aus: Zur Landtagswahl hatte man in der Region alle drei Direktmandate geholt. Doch jetzt mangelte es an Bewerber*innen, aus dem Kreisverband wagte sich niemand vor oder es fehlten die gewünschten Verwaltungskenntnisse. Landtagsmitglied Carsten Hütter war kurz im Gespräch, doch er winkte ab.

Die Schwierigkeiten bei der Suche waren bald ein Thema im Landesvorstand – in den Moosdorf einige Monate zuvor eingezogen war. So wunderte sich in der Partei niemand, dass Gollej ins Spiel kam, obwohl sie für die Öffentlichkeit ein ziemlich unbeschriebenes Blatt ist. Beinahe hätte sie der Meißener Kreisverband, dem sie nicht angehört, auch nominiert um Landrätin in einer Region zu werden, in der sie nicht lebt. Erst wenige Tage vor der entscheidenden Abstimmung bewarb sich auch Thomas Kirste, stellvertretender Kreischef und Landtagsabgeordneter. Es kam zur Stichwahl gegen Gollej, Kirste setzte sich mit nur vier Stimmen Vorsprung durch. Landrat wurde er am Ende nicht.

„Gestorben wird immer“

Nachdem es lange aufwärts ging, steht Moosdorf inzwischen vor einigen Problemen. Sie begannen im vergangenen Frühjahr und haben mit Corona zu tun. Damals hatte die AfD-Bundestagsfraktion noch keine einheitliche Linie zur Pandemie, die seither die politischen Debatten bestimmt. In dieser Zeit, es war März und der Frühjahrs-Lockdown hatte gerade begonnen, schickte der AfD-Abgeordnete Martin Hebner eine E-Mail an seine Fraktionskolleg*innen. Darin mahnte er an, dass klare Leitlinien gerade fehlen, dass „wichtige Teile der Abläufe und der Steuerung nicht funktionieren“ würden. Das war eine offene Kritik an der Fraktionsführung, an Alice Weidel und vor allem an Alexander Gauland.

Hebners Mail hatte einen Anhang mit einem weiteren Text, der Verfasser war sein Mitarbeiter, Matthias Moosdorf. Er ging mit der gesamten Fraktion hart ins Gericht, sie sei auf das Corona-Thema zu spät aufgesprungen, man habe es anfänglich sogar ganz ignoriert. Damals geschah, was öfter passiert, wenn der Cellist mitspielt: Medien erfahren Details. So berichteten denn auch mehrere Zeitungen über den Rüffel und zitierten aus Moosdorfs Schreiben den entscheidenden Satz: „Kurz zusammengefasst, soll unsere Fraktion auf folgende Linie festgelegt werden: Das Ganze ist eine bessere Grippe, gestorben wird immer, die Maßnahmen sind Eingriffe in das öffentliche Leben und überflüssig.“ Wenig später machten sich weite Teile von Fraktion und Partei genau diese zynische Sicht zu eigen.

Doch es gab ein Nachspiel, nach einer Weile versammelte sich die Fraktion zu einer stundenlangen Aussprache, der Anlass war der Aufschlag aus Hebners Büro. Abgeordnete haben das Meeting erzwungen, gegen den Willen von Weidel und Gauland, die damals noch auf einen eher staatstragenden Kurs setzten. Dem Vernehmen nach sollen einzelne Abgeordnete sogar gedroht haben, aus der Fraktion auszutreten, wenn der bisher moderate Corona-Kurs nicht auf den Prüfstand kommt. Hebners Mail und Moosdorfs Zeilen hatten damit zu einer veritablen Führungskrise beigetragen. Sie kam zur Unzeit, weil parallel an der AfD-Bundesspitze der Machtkampf um den Flügel voll entbrannt war.

Alles oder nichts

Es war nicht das letzte Mal, dass Moosdorf in die Vollen gegangen und damit angeeckt ist. Inzwischen hat sich seine Lage offenbar noch weiter verschlechtert: In Parteikreisen kursiert das Protokoll einer mehrstündigen Fraktionssitzung von Ende November. Wenn zutrifft, was darin notiert wurde, dann stand der Name „Moosdorf“ auf der Tagesordnung. Und es erging der fast einhellige Beschluss, den Abgeordneten Martin Hebner aufzufordern, seinen Mitarbeiter „unverzüglich zu entlassen“. Sogar Abgeordnete aus Sachsen sollen diese scharfe Forderung unterstützt haben. Sie ist schon deshalb ungewöhnlich, weil Moosdorf ein persönlicher Mitarbeiter ist. Da er nicht direkt bei der Fraktion angestellt ist, kann sie ihn nicht entlassen.

Derzeit ist unklar, ob er noch für Hebner arbeitet, ob er überhaupt eine feste Anstellung hat. An diesem Wochenende will sich Moosdorf beim Landesparteitag der sächsischen AfD um einen vorderen Listenplatz bewerben. Sollte das gelingen, wäre ein Mandat zum Greifen nah, egal was im Zwickauer Direktwahlkampf passiert. Im Vorfeld hat er eine Art Bewerbungsschreiben eingereicht, als Tätigkeiten vermerkt er darin eine Menge: Musiker, Autor, Publizist, Manager. Doch von einer Beschäftigung beim Abgeordneten Hebner ist keine Rede.

Was ist passiert? Dem Vernehmen nach wurde Moosdorf vorgeworfen, aus dem Abgeordnetenbüro heraus eine Mail an Alexander Gauland geschickt und ihn darin beleidigt zu haben, nachdem der Fraktionschef in einen Streit mit seinem Redenschreiber Michael Klonovsky geraten war. Moosdorf soll dabei nicht nur seinen Freund Klonovsky verteidigt, sondern einmal mehr angedeutet haben, dass AfD-Interna öffentlich bekannt werden könnten. Es gibt Anzeichen, die dafür sprechen, dass es zum großen Eklat kam. Sie kommen von Moosdorf selbst: Unmittelbar nach seiner Nominierung als Direktkandidat in Zwickau erschien die Neuauflage seines Buches, und das enthält nun einen Text, der sich wie eine wütende Abrechnung mit Gauland und der ganzen Bundestagsfraktion liest. Brutale Ironie: Sollte es Moosdorf nicht als Abgeordneter in den Bundestag, in die verhasste AfD-Fraktion schaffen, ist seine politische Karriere womöglich vorbei. Es geht für ihn jetzt um alles oder nichts.

 

»Tumult« – Ein Wissenschaftler wandelt sich – und eine Zeitschrift mit ihm. (https://www.der-rechte-rand.de/archive/3757/tumult/)

Früher – als »’68« noch kein Mythos, sondern die Revolte Alltag war – hätte es sich Frank Böckelmann wohl nie träumen lassen, dass er, ein Mitglied der »Subversiven Aktion« und somit in inhaltlicher Nähe zu den linksradikalen »Situationisten«, er, der den Geist der Anti­autoritären verkörperte, dass er einmal gemeinsame Sache mit jemandem wie Vera Lengsfeld machen würde, jener bürgerlich-konservativen ehemaligen Bundestagsabgeordneten der Grünen und dann der CDU, die noch immer von ihrem persönlichen Mythos der von der Stasi ausgespitzelten Bürgerrechtlerin der DDR zehrt.

Sehr vieles hat sich seither verändert. Doch es gibt auch Konstanten. Böckelmann sieht sich immer noch in der Revolte gegen das herrschende System, Lengsfeld noch immer als Bürgerrechtlerin gegen die Unterdrückung des Staates. Böckelmann gibt noch immer seine Zeitschrift »Tumult« heraus, Lengsfelds ideologischer Impetus ist noch immer der Antikommunismus. »’68«, das ist lange her. Inzwischen findet sich Böckelmann als Erstunterzeichner unter der »Erklärung 2018«, die von Lengsfeld maßgeblich befördert wurde und die sich mit den rassistischen Demonstrationen in Deutschland solidarisch erklärt.

»Tumult« erschien früher so unregelmäßig, dass man zuweilen bereits glaubte, sie sei eingestellt worden. Inzwischen erscheint sie regelmäßig. Als Vierteljahreszeitschrift mit 96 Seiten und einer künstlerischen Bebilderung statt der früheren Bleiwüste, mit Einsprengseln von Lyrik anstelle ehemaliger Theorielastigkeit. Die aktuelle Jubiläumsausgabe zum fünfjährigen Bestehen (Nr. 1/2018) hat sogar 128 Seiten.

Was sich auch geändert hat, ist der Kreis der Schreibenden. Früher wurden anerkannte Geistesgrößen, vorwiegend aus dem französischen Sprachraum, als »korrespondierende Mitglieder« der Redaktion geführt: Jean Baudrillard, Bazon Brock, Michel Foucault, Michel Serres, Paul Virillio und andere. Heute finden sich im Impressum Namen, die aus der deutschen »Neuen Rechten« bekannt sind oder gar aus Gruppen der extremen Rechten, wie »Pro Chemnitz«.

An die Stelle linker Nonkonformisten sind ehemalige Linke, wie Manfred Lauermann oder Rolf Peter Sieferle, getreten, vor allem aber Autoren, die man ebenso in der neu-rechten »Sezession« findet, wie Siegfried Gerlich, den als »Berater« fungierenden Egon Flaig – ebenfalls ein Unterzeichner der »Erklärung 2018« – oder Lothar Fritze vom Dresdner »Hannah Arendt Institut für Totalitarismusforschung«.

Geändert haben sich auch die Inhalte. Wo einstmals »fröhliche Wissenschaft« im linksnietzscheanischen Sinne betrieben wurde, herrscht heute die Untergangsstimmung einer intellektuellen ­PEGIDA, die »westliche Werte« und abendländische Kultur im Verfall sieht. Zwar ist der aktuellen Ausgabe ein Auszug aus einem Brief des situationistischen Vordenkers Guy Debord vorangestellt, doch charakterisiert dies vor allem die gegenwärtige Position des Kreises um »Tumult«.

»Es wird keine Integration geben«, heißt es dort. »Für diese ist es ebenso zu spät wie für die Ausweisung. (…) Es gibt kein Frankreich mehr. Ganz bestimmt gibt es keine französische Kultur mehr. Es gibt keine ‹französische Lebensweise› mehr (wir sind das Amerika der Armen). Es gibt kein französisches Volk mehr.« Böckelmann ist offenbar der Ansicht, dass dieses Verdikt auch für Deutschland die »Hauptthese«, so Debord, sein müsse.

Doch Böckelmann & Co. beziehen sich unübersehbar auf die Denker der »Konservativen Revolution« der Zwischenkriegszeit und deren intellektuelle Nachfahren. Besonders deutlich wird dies in der seit Anfang 2017 erscheinenden »Werkreihe«, einer im »Manuscriptum Verlag« publizierten Ergänzung zur Zeitschrift in Taschenbuchform. Den Aufschlag machte Rolf Peter Sieferle mit dem Band »Das Migrationsproblem«, der die »Unvereinbarkeit von Sozialstaat und Masseneinwanderung« belegen sollte.

Es folgte Dimitrios Kisoudis, inzwischen Mitarbeiter bei der AfD im Bundestag, mit »Was nun? Vom Sozialstaat zum Ordnungsstaat« und der These: »Der gute Staat ist ein starker Staat.« Dieser gute Staat solle sich allerdings auf seine Kernaufgaben, besonders den Erhalt der öffentlichen Ordnung, beschränken. Der Autor stellt sich die Aufgabe, eine »Verfehlungsgeschichte des Sozial­staats« zu liefern.

Die aktuelle Ausgabe von Parviz Amoghli und Alexander Meschnig mit dem Titel »Siegen« führt diesen Kurs fort. Die Autoren beklagen den »Verlust des Willens zur Selbstbehauptung«, doch sei diese »postheroische Gesellschaft unvereinbar mit den Folgen globaler Entwicklungen«.

Und: »Besonders in Deutschland haben Pazifismus und moralischer Universalismus zu einem tiefsitzenden Verdacht gegenüber jeder Form der Selbstbehauptung geführt. Die Unterscheidung zwischen Freund und Feind, zwischen Eigenem und Fremden, sind inzwischen restlos diskreditiert.« Das ist deutlich. Und es macht deutlich, dass Böckelmann am Ende eines Weges angekommen ist, der von der antiautoritären, subversiven Revolution zur »Konservativen Revolution« führte. Und so trifft er sich mit Lengsfeld.

 

»Das Schillern der Revolte« im »Tumult« (https://www.der-rechte-rand.de/archive/1609/das-schillern-der-revolte-im-tumult/)

Als »konservativ-anarchisch« charakterisiert der Blog von »eigentümlich frei« die Zeitschrift »Tumult«. Anarchisch, nicht anarchistisch. Der Anarch, das ist im rechten Weltbild der Idealtypus des souveränen Menschen, das ist Ernst Jüngers »Waldgänger«, das ist ein aristokratischer Individualist, der durch seine Entschlossenheit zum Widerstand besticht.

Hätte man Frank Böckelmann, einst wie heute Kopf hinter der Zeitschrift »Tumult«, der »Vierteljahresschrift für Konsensstörung«, in der Gründungsphase des Blattes – damals noch mit dem Untertitel »Schriften zur Verkehrswissenschaft« – mit dieser Charakterisierung konfrontiert, hätte er sich vermutlich einen besonders gelungenen Akt der Subversion zugeschrieben.

Wie kann ausgerechnet ein Wort wie »Tumult« im Kontext einer Begrifflichkeit verortet werden, die auf den Diskurs der »Konservativen Revolution« verweist?

»Tumult« steht für ungerichtete, ziellose Unordnung, letztlich für die Vorstufe des Chaos. Und ist nicht die Chaosfurcht die ideologische Mutter jeglichen rechten Denkens, das Streben nach Ordnung ihr zugehörig? Ja, weiß denn der Autor des Begriffs »konservativ-anarchisch« nicht, dass der in Dresden geborene und dorthin zurückgekehrte Frank Böckelmann in seiner Jugendzeit ein Aktivist der »Subversiven Aktion« war, einer Nachfolgestruktur der linksradikalen »Situationistischen Internationale«?

Um »Konsensstörung« ging es Böckelmann und seinen MitstreiterInnen schon damals, auch wenn an den »Tumult« noch nicht einmal gedacht wurde. Stattdessen waren sie Teil der Revolte, jener der Jahre 1967/68, lieferten wichtige Impulse für die Herausbildung und Ideologie der sogenannten antiautoritären Linken. Zwar kam die »Subversive Aktion« nie über ein Zirkeldasein hinaus, doch war der Einfluss beträchtlich.

Noch heute bekannte Namen wie Rudi Dutschke, Dieter Kunzelmann, Herbert Nagel und Bernd Rabehl unter den Protagonisten sprechen dafür. Der Berliner Professor Bernd Rabehl allerdings landete im Lager der extremen Rechten, zuletzt sogar als Gutachter aktiv für die NPD, Herbert Nagel wiederum hatte seine Anfänge in der revanchistischen »Deutschen Jugend des Ostens« und als Mitglied der faschistischen französischen Gruppe »Jeune Nation«.

Als konservativ hätte sich wohl niemand von ihnen bezeichnet, den Anarchen dagegen hätten einige als nicht ganz unberechtigt akzeptiert. Doch am Ende des »roten Jahrzehnts«, der Jahre bis 1977/78, stand das Scheitern. Das Scheitern der »Subversiven Aktion« wie der Subversion insgesamt, das des »Sozialistischen Deutschen Studentenbundes« (SDS) wie der antiautoritären Bewegung.

Die Alternative zum Staatssozialismus hatte sich nicht als tragfähig erwiesen. Immerhin: Vom orthodoxen Marxismus hatte man zumindest Lenins Diktum, das jegliche revolutionäre Bewegung einer revolutionären Theorie bedürfe, nicht verworfen.

Also wurde Theorie rezipiert – Theorie, die die Grenzen bisheriger Ansätze sprengte, jene der linken DissidentInnen. Theorien, die nicht länger in einer Klasse das revolutionäre Subjekt sahen, sondern vielmehr »nicht vollständig unterworfene Widerstandssubstrate«, jene »renitenten Restbestände«, die sich »der Totalität der Kapitalverwertung entziehen«, so Frank Böckelmann 1978 in einem Sammelband, der im wichtigen undogmatisch linken Merve-Verlag erschien.

Bei den damaligen AutorInnen spielte der inhaltlich uneindeutige Tumult keine Rolle, als Titel hatte man gewählt: »Das Schillern der Revolte«. Und im Titelaufsatz wurde deutlich das Ziel benannt: »Für eine entgrenzte Theorie der Subversion«. AutorInnen in dem Bändchen waren auch Dietmar Kamper, Professor für Erziehungswissenschaft, der Politologe Walter Seitter und der Übersetzer Ulrich Raulf. Sie alle sollten zu wichtigen Autoren der ein Jahr später erstmals erscheinenden Zeitschrift »Tumult« werden.

Und auch Herbert Nagel von der »Subversiven Aktion« gehörte zu diesem Kreis. Entgrenzen meint mehr, als die Grenzen der Orthodoxie und des Dogmatismus zu überschreiten. Wer Grenzen nur überschreitet, erkennt sie trotzdem an. Wer entgrenzt, bestreitet ihre Gültigkeit, letztlich auch die von Grenzen insgesamt. Auch die zwischen links und rechts.

Und so kam Karin Priester bereits 1995 zu dem Schluss, es handle sich bei Autoren wie Kamper und Seitter um »Geistige Pfadfinder der Neuen Rechten«, die – nach ihrer Aneignung Martin Heideggers – »apokalyptisches Denken, meist in Verbindung mit der Gnosis« pflegten. Dabei gehe es um mehr als Esoterik, nämlich »um die Kritik des Bestehenden, die radikal vor jeder konkret-historischen Gesellschaftskritik ansetzt und weit über sie hinauszugehen beansprucht«.

Es handle sich um einen »Radikalismus des non plus ultra mit jenem elitären Hauch von ‹radical chic›, der jede konkret-historische Gesellschaftskritik als spießigen Reformismus erscheinen lässt«. Und so entstanden Themenhefte wie die über den Prähistoriker Georges Dumézil, einen Referenzautoren der »Nouvelle Droite«, in dem neben Michel Foucault und dem Situationisten Asger Jorn der neu-rechte François-Xavier Dillmann zu Wort kam.

Im Band über den Sonnenkult folgten Texte von Franz Altheim und Otto Rahn, in dem über Katechonten solche der »Konservativen Revolutionäre« Carl Schmitt und Hans Freyer. Grenzenlose Entgrenzung also. Bis zum heutigen Tage, wo der einst zum AutorInnenstamm der neu-rechten »Etappe« zählende Andreas Raithel als »Berater« im Impressum geführt wird, wo der Dresdener Literaturwissenschaftler Ulrich Fröschle, einst für die gleiche neu-rechte »Etappe« aktiv, heute als Lektor wirkt.

Die »Entgrenzung« hat dazu geführt, dass tatsächlich zusammenwuchs, was schon lange zusammengehörte. Gemerkt hatten es auf der Linken nur wenige wie Karin Priester.

 

Rechter Tumult in der Debatte – (https://www.der-rechte-rand.de/archive/1601/rechter-tumult-in-der-debatte)

Das seit 1979 existierende Magazin »Tumult« ist ein vierteljährlich erscheinendes Debattenmagazin mit Aufsätzen, Essays, Gedichten und Erlebnisberichten, das sich an eine akademische LeserInnenschaft wendet. Laut Selbstdarstellung versteht man sich als »unabhängiges Organ der Gegenwartserkundung fernab akademischer und volkspädagogischer Sprachregelungen« und richtet sich gegen einen angeblich wachsenden »Konsensdruck in der öffentlichen Meinung«.

Herausgegeben wird das Magazin von Dr. Frank Böckelmann (Jahrgang 1941), einem ehemaligen Aktiven der außerparlamentarischen Linken aus Dresden. Böckelmann war Anfang der 1960er Jahre Mitbegründer der »Subversiven Aktion«, Wortführer der »antiautoritären Fraktion« im »Sozialistischen Deutschen Studentenbund« (SDS) München und initiierte eine »Studiengruppe für Sozialtheorie«.

Spätestens ab 1998 setzte bei ihm eine Wende zur politischen Rechten ein. 2002 unterzeichnete er einen Appell der »Jungen Freiheit« (JF) und trat 2014 als Referent für die JF-nahe »Bibliothek des Konservatismus« in Berlin auf.

Die »Tumult«-AutorInnen

Laut Angabe des Magazins haben 96 AutorInnen in den meist etwa 100 Seiten starken Ausgaben publiziert. Bei weitem nicht alle AutorInnen können der »Neuen Rechten« oder ihrem Umfeld zugerechnet werden. Einige Beiträge, etwa von Carl Schmitt, Peter Furth oder Hans Magnus Enzensberger, sind Neuauflagen älteren Datums.

Mit Benjamin Jahn Zschocke (»Blaue Narzisse«), Thor Kunkel (»eigentümlich frei«), Siegfried Gerlich (Autor und Herausgeber im »Sezession«-Verlag »Antaios«), Sebastian Hennig (JF, »Sezession« und »Compact«-Magazin) tauchen auch einige bekannte Publizisten der »Neuen Rechten« auf. Auch die ehemaligen Geschichtsprofessoren Ernst Nolte und Egon Flaig sowie der Extremismustheorie-Vorkämpfer Lothar Fritze, der dem Hitlerattentäter Georg Elser das moralische Recht für den Anschlag absprach, greifen für »Tumult« zur Feder.

Mit Andreas Lombard (ehemals Andreas Krause) findet sich ein ehemaliger Mitarbeiter der Berliner Zeitung und Träger des jährlich von der JF verliehenen Gerhard-Löwenthal-Preises unter den AutorInnen. Hinzu kommen rechte Konservative wie Lorenz Jäger, einst von Habermas als »Rechts-Außen der deutschen Feuilletons« bezeichnet, oder die CDU-Rechtsaußen Vera Lengsfeld.

Gegen Flüchtlinge und »Schuldkult«

Auch von den bisher politisch unauffälligen »Tumult«-AutorInnen stammen Texte mit deutlich rechter Stoßrichtung, wie die Herbstausgabe 2015 und die Frühjahrsausgabe 2016 verdeutlichen. So führt der Schriftsteller und Büchner-Preisträger Reinhard Jirgl die Willkommenskultur gegenüber Flüchtlingen auf einen angeblich in Deutschland vorherrschenden »Schuldkult« und die »Kollektivschuld-These« zurück.

Der Jurist Wolfgang Hetzer springt Jirgl bei und beklagt: »Beim Quietschen der sich rhetorisch öffnenden Tore von Auschwitz kann man dann oft kaum sein eigenes Wort hören.« Bereits im Vorwort der Ausgabe Winter 2015/16 legte Böckelmann diese Linie fest: »Die Immigranten wenden die Hypermoral, zu der sich viele Deutsche in eitler Selbstlosigkeit aufschwingen, gegen die deutschen Institutionen. Viele Deutsche hat die fortgesetzte Mahnung an jene einen zwölf Jahre in ihrer Vorgeschichte geschichtslos gemacht.«

Der ehemalige »Die Welt-»Kolumnist Matthias Matussek schreibt im Frühjahr 2016: »Die Flüchtlingsbombe detonierte im September 2015, als die Trecks der Elenden vor der Grenze Ungarns gestrandet waren und erst mit dem Versprechen der Bundeskanzlerin auf Asyl weiterrücken konnten.«

Der Dozent Albrecht Goeschel vermutet eine Verschwörung und orakelt: »In Zeiten ‹verdeckter Aktionen› von Geheimdiensten, Söldnerfirmen und Nichtregierungsorganisationen auch in Europa ist es durchaus vorstellbar, dass die ‹Sex-Mob›-Attacke an Silvester und mehreren Großstädten, bei der so ganz und gar keine oder jedenfalls nicht genug Polizei zur Verfügung stand, nicht wie eine Naturkatastrophe über uns hereinbrach.«

Der Soziologe Alexander Schuller führt die Aufnahme von Flüchtlingen auf die Kriegsniederlage 1945 zurück und beklagt neben dem vermeintlichen »Auschwitz-Wahn der Deutschen«: »Der 8. Mai war in diesem Sinne der totale Identitätsverlust. (…) Seither ist Auschwitz das einzige Identitätsmerkmal, das den Deutschen geblieben ist.«

Die in der Herbstausgabe 2015 zu verzeichnende Verschärfung der Tonlage des Magazins hatte zur Folge, wie Böckelmann im Frühjahr 2016 beklagte, dass 30 bis 40 Prozent der AutorInnen absprangen. Zudem zog sich Horst Ebner, Mitherausgeber und Redaktionsmitglied seit 2009, zurück. Seit der Frühjahrsausgabe 2016 kooperiert das Magazin mit dem Berliner »Wolff Verlag«, der 2008 von dem Verleger Robert Eberhardt gegründet worden war. Im regelmäßig vom »Wolff Verlag« veranstalteten »Jungen Salon« konnte 2015 Götz Kubitschek zum Thema »Warum rechts sein?« vortragen.

Fazit: MUT 2.0

Hans Hütt bezeichnete in »Die Zeit« das Magazin als »intellektuelles Freikorps«. Böckelmanns Aussage, dass man sich in einem »geistigen Bürgerkrieg« befinde, kann sinnbildlich als Bestätigung dieser Einschätzung und zugleich als Ausdruck der sich nach rechts radikalisierenden, anti-pluralen Intellektuellen verstanden werden.

Der zu beobachtende Diskurs in den genannten Ausgaben weist deutliche Parallelen zu den Debatten der »Neuen Rechten« um eine ‹selbstbewusste Nation› Deutschland auf. Als rechtes Magazin mit elitärem Anspruch ist »Tumult« so etwas wie der Nachfolger des in die Mitte gerückten Magazins »MUT«.